Was Sie 2022 über die Verbindungsbahn wissen müssen:

Wir wissen, dass wir alle ein gemeinsames Interesse haben: 

Wien soll eine der lebenswertesten Städte weltweit bleiben und dazu gehört der Ausbau des öffentlichen Verkehrs! 

Emissionen – wie Lärm und Abgase –  sollen reduziert werden und im Mittelpunkt der Stadtplanung sollen Klimaschutz und Lebensqualität stehen! 

Wir als Bürgerinitiative stehen voll hinter diesen Zielen. 

Leider werden diese ziele beim Projekt „Attraktivierung der Verbindungsbahn“ nicht bzw. nicht bestmöglich erreicht. 

Es mag sein, dass wir sie damit überraschen, dass wir bei einem Bahnprojekt so viel Kritik üben. Es fehlt aber in so vielen Details ein zeitgemäßer Zugang zur Projektplanung, dass wir nicht anders können, als seit Jahren auf Verbesserungsmöglichkeiten hinzuweisen. 

Es bleibt auch 2022 unverständlich, dass ein solches Infrastrukturprojekt ausschließlich im Sinne der Projektwerberin ÖBB (Cargo, Verschub, Fern- und Güterverkehr) gestaltet wird und die Interessen der Stadtbewohner:innen (S-Bahn, U4-Einbindung, Geh- und Radverkehr, Lärmschutz, Erhaltung der Natur etc) unberücksichtigt bleiben. 

Wir wissen durch den Austausch mit Bürger:innen in ganz Österreich, dass der Umgang mit Bürgerinitiativen bei Bahnprojekten bundesweit, nicht als konstruktiv erlebt wird. Die immer lauter werdende Forderung nach Erneuerung des Eisenbahngesetzes unterstützen wir. 

Bitte beachten Sie: Vom Rechnungshof wurde vielfach auf Mehrkosten durch fehlerhafte Planung bei Infrastrukturprojekten hingewiesen! Wir sehen es deshalb als unsere Aufgabe, auf eine ganzheitliche Planung aufmerksam zu machen, damit spätere teure Ergänzungen, nachträgliche Änderungen und kostenintensive Verzögerungen durch Fehlerkorrekturen / Nachbesserungen verhindert werden. (Siehe untenstehende Themen wie Lärmschutz, Grenzwerte, Geh- und Radwege, Erschließung neuer Stadtteile mit Fernwärme, Nutzbarmachung von Erdwärme, Photovoltaikoffensive der Stadt Wien und viele weitere wichtige aktuelle Themen)!

Als Diskussionsanregung für weitere Gespräche wollen wir erneut einige Punkte herausgreifen. Inhaltliche Grundlagen sind die Unterlagen zur Umweltverträglichkeitsprüfung, öffentliche Pläne, Stellungnahmen sowie Recherchen und Expertise der Bürgerinitiativen. 

Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP): 

Die Eigentümerin der ÖBB, die Republik Österreich – vertreten durch das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie – ist gleichzeitig die prüfende Behörde. Dazu kommt ein “freundschaftlicher” Umgang zwischen Projektwerberin, Ministerium und Gutachter:innen. Es wurde bestätigt, dass viele Gutachter:innen gleichzeitig für die Projektwerberin tätig waren oder sind. Zudem wurden Gutachter:innen während der mehrtägigen mündlichen Verhandlung vor Ort in der Messe Wien zu kostenlosen Buffets eingeladen und anderen Parteien/Bürgerinitiativen blieb der Zugang verwehrt. Wir fragen uns, wer die Einladungen der Gutachter:innen finanziert hat und wie dies zur Compliance Richtlinie der Justiz (2020) passt? Die Abteilung für Protokollierung der mündlichen Verhandlung wurde von der Projektwerberin ÖBB „zur Verfügung gestellt“. Die Art der Protokollierung wurde geschildert als chaotisch und als zusätzliche Erschwernis und Ungleichbehandlung jener Gruppen mit Parteistellung, die dem Projekt kritisch gegenüber stehen. Bei einfachsten Fragen während der mündlichen Verhandlung entstanden minutenlange Geplänkel zwischen Parteien und Gutachter:innen, die sich nicht im Protokoll wiederfinden. Tonaufzeichnungen zur besseren Protokollierung der mündlichen Verhandlung wurden ausdrücklich untersagt.

Wir sollen nun weiterhin vertröstet werden: Der seit seit Jahren erwartete Gestaltungswettbewerb startet. Wir befürchten eine weitere teure Maßnahme, die in Wahrheit nur der Publicity dient. Denn darüber zu sprechen, ob ein neuer versiegelter Bahnhofsvorplatz mit 3 oder 5 Büschen ausgestaltet werden soll, empfinden wir als Hohn. 

Es geht uns um ein bestmögliches Gesamtkonzept für dieses Jahrhundertprojekt. Eine unabhängige Projektprüfung ist wesentlich bei der Verwendung von Steuergeldern und vergleichbare Varianten wären eigentlich Pflicht bei einer Umweltverträglichkeitsprüfung. 

Auswirkungen auf Menschen und Umwelt:

Für dieses Großprojekt werden mehr als 1000 Bäume gerodet. Darüber hinaus unzählige wichtige Grün- und Rasenflächen, unzählige Büsche und Sträucher entfernt. Die Bedeutung dieser Zonen müssen wir in Zeiten von Artensterben und Klimakrise nicht erläutern. Wir möchten sie aber darauf hinweisen, dass bei ähnlichen Projekten ambitioniertere Kompensationsmaßnahmen wie Nachpflanzungen getroffen werden: So wird zum Beispiel oft die mindestens doppelte Anzahl an gerodeten Bäumen nachgepflanzt – dauert es doch Jahrzehnte bis Pflanzen und Bäume wieder eine entsprechende Größe und klimaschonende Wirkung erreichen. Wir fordern ernst gemeinte zukunftstaugliche Projektplanung um unnötige Bodenversiegelung zu verhindern.

Sie sollten auch wissen, dass trotz der Errichtung von Lärmschutzwänden die Grenzwerte für Lärm entlang der Strecke mehrfach nicht eingehalten werden und andere Emissionen (Luftverschmutzung) zunehmen werden. Ursache dafür sind nicht die dichteren Intervalle der S-Bahn.

Wir fordern von der Bundesregierung und der Stadt Wien eine kompromisslose Planung als S-Bahnstrecke für den Klimaschutz und für die Stadtbewohner:innen. Wir appellieren an die Verantwortlichen: Sorgen sie dafür, dass wir uns darauf verlassen können, dass Güterzüge dort fahren wo sie immer schon hingehören, nämlich in den extra für diese errichteten Lainzer Tunnel (Baukosten waren ca. € 1,4 Mrd) !

Entgegen aller Versprechungen wird der Lärm und die Luftverschmutzung durch Güterverkehr, Verschub und Dieselloks zunehmen und es werden sogar Eisenbahnkreuzungen geschlossen und nur mehr für Fußgänger und Radfahrer passierbar. Es werden dadurch Umwege für KFZ entstehen und die Belastung durch KFZ auf bereits überlasteten Straßen und kleinen Gassen wird zunehmen.

Geh und Radwege:

Wenn sie sich mit dem eingereichten Projekt beschäftigen, werden sie feststellen, dass es keine Pläne für Radwege gibt. Diese sind nicht Teil der Umweltverträglichkeitsprüfung. Die ÖBB spielen den Ball an die Stadt Wien. Was aber nicht in den Plänen enthalten ist, kann auch nicht genehmigt werden. Die Gestaltung von kreuzungsfreien und barrierefreien Verbindungen für Geh- und Radverkehr auf den neuen Anlagenwird nach derzeitigem Stand ohne Neuplanung nicht möglich sein! 

Kreuzungsfreie Geh- und Radwege vom 13. und 14. Bezirk bis nach Meidling entlang der neuen Bahnstrecke fehlen. „Vergessen“ hat man auch auf einen Geh- und Radweg zwischen den Bezirken über das Wiental auf den neuen Eisenbahnbrücken. Ein kreuzungsfreier Zugang über die neuen Eisenbahnbrücken zur U-Bahn Station U4 Unter St. Veit wurde nicht bedacht, obwohl die Vorteile für die zwei angrenzenden Bezirke Penzing und Hietzing auf der Hand liegen würden. Derzeit sind die Wartezeiten für Fußgänger im Wiental viel zu lange und die Zeit zum Überqueren der Straße beträgt weniger als 15 Sekunden

Der Wiental(rad)weg ist übrigens nur an wenigen Stellen zugänglich, der Abstand der Zugänge könnte von 1000 Metern auf 500 Meter halbiert werden, indem Zugänge von den neuen Eisenbahnbrücken gebaut würden. Das würde ausserdem den Umstieg auf Radverkehr attraktivieren

S-Bahn

Eine Planung der Verbindungsbahn als 100% attraktive S-Bahn Strecke fand nie statt! 

Wir wollen, dass Steuergeld verantwortungsvoll für ganzheitliche Lösungen eingesetzt wird, und wir wollen verhindern, dass unter dem Deckmantel des S-Bahn Ausbaus kommerzieller Fern- und Güterverkehr subventioniert wird. 

Entgegen aller Versprechungen: 

“Ohne große Umbauten kann nach dem Bau des Lainzer Tunnel die Verbindungsbahn als S-Bahn Linie im 15-Minuten-Takt genutzt werden” wurde der Bevölkerung versprochen. 

Politische Verantwortliche (z.B. BM Häupl) haben stets die Bedeutung der Verbindungsbahn für die S-Bahn betont und die wertvolle Entlastung von lauten Güterzügen der Verbindungsbahn durch den Lainzer Tunnel (DIE neue Hochleistungsstrecke) als Argument für dessen Bau kommuniziert. 

Die Kosten für das aktuelle Projekt betragen inzwischen € 307 Mio. Die Stadt Wien bezahlt davon derzeit ca. 80 Mio. (laut Übereinkommen bei weiter steigenden Kosten auch mehr) und hat die ÖBB beauftragt, einen Umbau durchzuführen, der den 15-Minuten Takt ermöglichen soll. Eine Garantie für den 15-Minuten Takt existiert aber nicht. In Zukunft sollen wieder mehr Güterzüge auf der Strecke durchs Wohngebiet geleitet werden. Es könnte der Fall eintreten, dass lediglich zu Stoßzeiten engere S-Bahn Intervalle angeboten werden. Die restliche Zeit würde die Verbindungsbahn als Güterstrecke dienen. 

Ein 15 Minuten Takt der S-Bahn S-80 auf der Verbindungsbahn ist in weiter Ferne. Als Sofortmaßnahme für Klimaschutz wäre eine Fahrplanverdichtung seit Jahren möglich und wichtig – nicht erst nach Abschluss der Bauarbeiten ca. 2028 oder später! Sie sollten wissen, dass bereits jetzt ein 20 Minuten Takt möglich wäre, ohne Zeitverzögerung und vorerst ohne € 307 Mio. Umbau. Dass diese Verdichtung jetzt noch nicht möglich sei, ist eine Ausrede jener, die den Güterverkehr zum insgeheimen Ziel dieses Projekts forcieren wollen!

Ein Argument der projektwerbenden ÖBB gegen mehr S-Bahnen sofort und ohne großen Umbau sind angebliche lange Wartezeiten für KFZ bei geschlossenen Schranken. Wartezeiten entstehen aber nicht durch die S-Bahn Züge, sondern durch Verschub und Güterzüge. Bei Verkehrsampeln stehen Autos (im Verhältnis) länger als an den Bahnschranken, auch bei engerer S-Bahn Taktung. 

Die Weigerung, den so genannten S-Bahn Ring zu schließen und dazu eine bestmögliche Einbindung der U-Bahn Linie U4 in das Projekt zu planen, zeigt zusätzlich, dass nicht auf das “große Ganze” geachtet wurde. 

Wir fordern eine vertragliche verbindliche Festlegung für die Nutzung der Verbindungsbahn als S-Bahn Strecke im (mindestens) 15-minuten Takt und die vertragliche Garantie von Nachtruhe ohne Güterverkehr.

Unabhängige Planung & Prüfung:

Sie sollten wissen, dass dem Wiener Gemeinderat bei der (partei-)einstimmigen Abstimmung 2016 nicht von allen möglichen Varianten berichtet wurde. Zur Diskussion wurden lediglich die Bestandsvariante und die Hochlage gestellt. Die Aufbereitung der Argumente erfolgte von der Projektwerberin ÖBB, dem Gemeinderat blieb demnach nur die Variante Hochlage als vermeintlich logische Option. Unabhängige Prüfungen von anderen Varianten oder Architekturwettbewerbe die sich mit der Gesamtsituation aus verschiedenen Gesichtspunkten der Stadtplanung (inkl. Einbau von Fernwärmeleitungen, Photovoltaik, Nutzbarmachung von Erwärme, uvm.) beschäftigen, fanden nicht statt. 

Nachträglich von Bürgerinitiativen durchgesetzte Prüfungen der von uns favorisierten Variante Tieferlegung (ab dem Wiental)  mit Überplattungen + Begrünung wurden ebenso von der projektwerbenden ÖBB ablehnend und nicht unabhängig geprüft. Wir wissen: eine Tieferlegung als Niederflurstrecke mit Überplattungen  ist möglich. 

Dadurch würden sich für die Gestaltung der Strecke ungeahnte Möglichkeiten ergeben: Eine Jahrhundertchance neuen Lebensraum und neue Flächen auch für Photovoltaikanlagen über der neuen Verbindungsbahn zu schaffen Güterzüge könnten im Fall von (seltenen) Wartungsarbeiten des Lainzer Tunnels auch auf der tiefergeleten Verbindungsbahn verkehren, die geforderten Neigungen sind umsetzbar. Eine Planung von unabhängigen Expert:innen würde jedenfalls die Machbarkeit attestieren. Diese gilt es zu finanzieren!

Bürger:innenbeteiligung: 

Sie sollten wissen, dass die so genannte Bürger:innenbeteiligung von der Projektwerberin und von ihr bezahlten Agenturen durchgeführt wird. Maßnahmen wie Infoboxen, Veranstaltungen, Inserate, Meinungsumfragen oder Kleingruppen, bei denen ausgewählte Anrainer:innen während Präsentationen kostenlos zu Speis und Trank eingeladen wurden, verfolgen ein Ziel: Das geplante Projekt zu bewerben und gleichzeitig dem Auftraggeber Bürger:innenbeteiligung zu suggerieren. Was wir erleben ist Show statt Beteiligung bei großen und kleinen Events. Dazu kommen eine beachtenswerte Anzahl an Medienkooperationen und/oder Inseraten, die nicht immer eindeutig als Werbung gekennzeichnet wurden. Dass die Politik den Prozess der Bügerger:innenbeteiligung an die Projektwerberin abgegeben hat, war ein Fehler.

Zukunft: 

Wie können wir es gemeinsam schaffen, dass die Attraktivierung der Verbindungsbahn zu einem Vorzeigeprojekt wird, auf das alle Stakeholder stolz sein können? 

Sie als Kommunikator:innen, Opinion-leader, Verantwortliche oder Berichterstatter:innen müssen sich der Diskussion stellen. Wir möchten sie persönlich um ehrliches Engagement bitten und ersuchen sie höflich, davon abzusehen, uns Werbetexte der Projektwerberin als Antwort zu übermitteln oder uns auf die Umweltverträglichkeitsprüfung sowie weitere Einspruchs- bzw Rechtsmittel hinzuweisen. Die allgemein verfügbaren Informationen sind uns bekannt.

Spätestens wenn die Baufahrzeuge anrollen und Straßen für Bauarbeiten gesperrt werden, müssen sich mehr als 100.000 Bewohner:innen entlang der Strecke in Penzing, Hietzing und Meidling mit diesem Projekt beschäftigen. Sie werden dann viele Fragen stellen. Wir tun das bereits heute. Retten wir dieses Projekt gemeinsam! Verabschieden wir das Betonmonster und schaffen wir ein Vorzeigeprojekt auf das wir in Jahrzehnten stolz sein können. Erkennen Sie den Wert von Natur in der Stadt und stoppen sie dieses Retro Projekt, dieses Denkmal für Bodenversiegelung und missglückte Stadtplanung!

Mit engagierten Grüßen,

Unterstützerinnen und Unterstützer der Bürgerinitiative Lebenswertes Unter St. Veit, Hietzing

Ein Kommentar zu „Was Sie 2022 über die Verbindungsbahn wissen müssen:

  1. „… Ich will weiter, der Zug ist da und die Koffer gepackt
    Doch es liegt jemand auf den Schienen und so fährt er nicht ab
    Ich mach‘ die Tür auf und geh‘ raus zu den Gleisen
    Versuche die Person zu überzeugen auch mitzureisen
    Die Freude in meinem Blick kann ihre Augen erreichen
    Doch ihre halten mich fest und bringen mich dazu draußen zu bleiben
    Ich frag‘ mich langsam, wer hier wen überzeugt
    Sie erinnert mich daran, wie sehr das Leben enttäuscht
    Und ich leg‘ mich auf die Schienen, sehne mich nach Frieden
    Würd‘ gerne ein bisschen weinen, doch leider fehlen mir die Zwiebeln
    Es tut mir Leid, ich schäme mich vor denen, die mich lieben
    Doch die Sonne in meinem Herzen kann den Regen nicht besiegen
    Und so bleib‘ ich da, der nächste kommt und sagt uns „Kommt schon, gehen wir“
    Wir diskutieren und kurze Zeit später liegt er neben mir
    So geht es weiter, bis irgendwann alle da sind
    Wenn alle hier sind, dann kann uns auch niemand mehr überfahren…“

    -Amewu (Fliegen)

    Dieses Lied begleitet mich nun eine Weile, ähnlich wie der mir ans Herz gewachsene Unter St. Veiter Schranken, der mich von Zeit zu Zeit herausreißt aus verfahrenen Gedankenzügen.

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